“Der Motor dahinter ist die Suche nach Gerechtigkeit”
Vergangenes Jahr erfuhr der Klagsverband durch seine bedrohte Existenz vermehrt mediale Aufmerksamkeit. Völlig unerwartet strich das Frauenministerium der ÖVP-FPÖ-Regierung dem Verein zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern 30.000 Euro. Daraufhin machte die Zivilgesellschaft durch Spenden und zahlreiche Solidaritätsbekundungen deutlich, dass die Arbeit des Klagsverbandes für sie unverzichtbar ist.
Der Klagsverband ist keine typische NGO und in seiner Konstruktion als Dachverband, der alle in Österreich rechtlich anerkannten Diskriminierungsfälle abdeckt, EU-weit einzigartig. Wer aufgrund aufgrund von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, sexuelle Orientierung und Alter diskriminiert wird, kann prinzipiell vor Gericht ziehen. Doch die etwa 60 verschiedenen betroffenen Gesetze machen es vielen kleinen beratenden Vereinen und Selbstvertretungsorganisationen, die oft selbst keine juristische Fachkraft beschäftigen können, schwer, Rechtsansprüche durchzusetzen. Auch “Privatpersonen klagen kaum”, weiß Generalsekretär des Klagsverbandes, Volker Frey. “Wenn so ein Individualbeschwerdeverfahren über einen Anwalt läuft, dann kostet das schnell mal ein paar Zehntausend Euro.” Aus diesem Grund entstand die Idee, den Klagsverband ins Leben zu rufen, der mittlerweile seit 15 Jahren seine Mitgliedsvereine in ihrer Expertise juristisch unterstützt und auch Einzelpersonen vor Gericht vertritt.
Aus den ursprünglich drei Gründungsvereinen – ZARA, BIZEPS und der HOSI Wien – wurden mittlerweile rund 53 Mitgliederorganisationen. Der plötzliche Wegfall des zweitgrößten Förderers hat den Verband, der auch auf ehrenamtliche Hilfe angewiesen ist, stark getroffen: “Wir haben immer gesagt wir machen trotzdem keine zweite große Spendenaktion. Wir wollen besonders unseren kleinen Mitgliedsvereinen nicht ihre Spenden wegnehmen”, so Frey.
Mit Nachdruck für das Recht auf selbstbestimmte Teilhabe
Das nur dreiköpfige Team hat allein im vergangenen Jahr 108 Anfragen zur Rechtsdurchsetzung bearbeitet, drei Gerichtsverfahren abgeschlossen und ein großes Individualbeschwerdeverfahren auf UN-Ebene zum positiven Abschluss gebracht. Ein blinder Mann klagte etwa gemeinsam mit dem Klagsverband die Linz Linien wegen mangelnder Barrierefreiheit, da die neuen Stationen einer Straßenbahnlinie nicht mehr mit einer Sprachausgabe ausgestattet wurden. Für den Linzer eine massive Verschlechterung. Trotzdem wurde die Klage in zwei Instanzen abgewiesen, der Fahrgast könne sich ja vor Fahrtantritt im Internet informieren. Nachdem in Österreich alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft waren, meldete der Klagsverband die Menschenrechtsverletzung der UNO. Diese sprachen eine nachdrückliche Empfehlung aus, die umfassende Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehr sicherzustellen, damit auch Menschen mit Behinderungen teilhaben können. Die internationale Rüge führte schließlich dazu, dass im Juni 2018 die Straßenbahnverordnung entsprechend novelliert wurde. Nicht nur ein Erfolg für den Kläger und sein Unterstützerteam, sondern für die ganze Zivilgesellschaft, die einmal mehr das Recht auf selbstbestimmte Teilhabe einforderte.
Daniela Almer unterstützt den Klagsverband in der Öffentlichkeitsarbeit. Für sie war schnell klar, dass es nach dem Studium mehr als nur irgendein Job sein muss: “Ich will jeden Tag heimkommen und sagen: Ja, ich habe heute etwas für eine bessere Welt gemacht.” Nach dem Studium in Romanistik und Gender Studies arbeitete sie bei den autonomen Frauenhäusern, im Verlagswesen und als freie Journalistin, bis sie sich für eine freie Stelle beim Klagsverband bewarb, die sie bis heute ausfüllt: “Der Klagsverband ist für die Zivilgesellschaft sehr wichtig. Menschen bekommen so Unterstützung von Personen, die ohne unsere Hilfe kaum einen Zugang zu ihrem Recht bekommen und sonst immer auf der VerliererInnenseite stehen würden. Zum Empowerment beizutragen, das ist mir sehr wichtig. Und selbst, wenn Klägerinnen und Kläger verloren haben, sind sie oft happy, weil sie gemerkt haben, dass sie Rechte haben und sie eingefordert haben.
„Man weiß, man macht das Richtige“
Die Rechtsdurchsetzung ist das Spezialgebiet von Juristin Andrea Ludwig. Zuvor hatte sie in einer “klassischen Kanzlei” für Arbeits- und Unternehmensrechts gearbeitet: “Irgendwann war da so die Überlegung. Mach ich das für immer? Und dann hat mir eine Freundin die Stellenanzeige gezeigt und ich dachte mir: Woah, da kannst du wirklich wichtige Klagen führen.” Und das tut Andrea Ludwig nun schon seit 10 Jahren beim Klagsverband. Einen typischen Arbeitstag hat sie seitdem nicht mehr, denn man wisse nie, wer kurzfristig eine juristische Einschätzung benötigt. Die Fälle, die die 42-jährige begleitet, sind für sie alle sehr mitreißend: “Man tauscht von Anfang an sehr Persönliches aus und begleitet die Personen auch sehr lange. Oft lernt man Familienangehörige oder die ganze Familie kennen.” Und auch wenn nicht jeder Diskriminierungs-Fall gewonnen werden kann, jedes Verfahren sei wichtig.
“Beeindruckt haben mich immer Personen am meisten, die das nicht nur für sich machen, sondern sagen: Ich mach das jetzt, auch wenn es mich belastet, um für die Zivilgesellschaft als Ganzes was zu erreichen. Im Antidiskriminierungsrecht da bekomm ich meistens nur Schadensersatz, an der Situation ändert sich selten etwas. Wenn ich solche Verfahren führe dann weiß ich, die stehen dahinter, die kommen zur Verhandlung, zu jedem anderen Termin, sind erreichbar; da wird man von der Energie erfasst und man weiß, man macht das Richtige.”, erklärt Andrea Ludwig.